Betagte Menschen im AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon lieben ihre Trampoline
Kirchseeon – Die älteste Teilnehmerin derzeit ist 91 Jahre, für sie hat sich ein Kindheitstraum erfüllt, ein dementiell erkrankter Bewohner erlebt den sachten Schwung jedes Mal neu: Was vor anderthalb Jahren mit einem Mini-Trampolin im AWO-Seniorenzentrum Gertrud-Breyer-Haus in Kirchseeon begann, hat sich zu einer echten Erfolgsgeschichte entwickelt. Jeden Donnerstagvormittag betreten betagte und hochbetagte Frauen und Männer erwartungsvoll den Bewegungssaal des Hauses. Unterdessen zwei Trampoline haben wieder Schwung in ihr Leben gebracht, zu jeder Zeit aufmerksam begleitet von Trampolintrainerin Silke Weiss und Sozialdienstleiterin Sarah Berchtold.
Ein Trampolin verbindet man spontan nicht unbedingt mit älteren Menschen. „Die meisten Leute assoziieren ein Trampolin mit Garten, Kindern, springen“, sagt Silke Weiss. Die frühere Kinderkrankenschwester und Heilpädagogin hat sich seit 2017 dem Trampolin verschrieben. Seine positiven Wirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden haben sie und ihr Mann nach dem Kauf eines Trampolins am eigenen Leib erfahren. Da war der Weg zur Ausbildung als Zertifizierte Trampolintrainerin nicht mehr weit. „Bewegung, Trampolin, sitzende Bewohnerinnen und Bewohner, das war ein Bild, das in mir arbeitete“, erinnert sich die heute 54-Jährige über ihre Besuche 2021 bei ihrer im AWO-Seniorenzentrum Kirchseeon lebenden Schwiegermutter. Der Idee folgte bald die Tat. Weiss fragte bei Einrichtungsleiterin Lydia Wörlein und Sozialdienstleiterin Sarah Berchtold an, ob sie sich Trampolinschwingen als ehrenamtliches Aktivierungsangebot für die Bewohnerinnen und Bewohner vorstellen könnten. „Anfangs waren wir eher skeptisch und haben uns gefragt, ob unsere Bewohner das schaffen und wie sie überhaupt auf ein Trampolin reagieren“, erinnert sich Sarah Berchtold.
In einer Vorführungsrunde stellte Silke Weiss ihr und Lydia Wörlein das kleine Sportgerät vor und die beiden Frauen beschlossen, ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu diesem neuen Angebot einzuladen. Letzte Zweifel an einer Eignung des für maximale Sicherheit mit Haltegriff und T-Stange ausgestatteten Mini-Trampolins für den Einsatz bei alten Menschen räumen diese dann selber aus. „Es hat wie eine Bombe eingeschlagen“, so Berchtold. Gleich beim ersten Mal hätte sich rund ein Dutzend Frauen und Männer für das neue Angebot mit dem Trampolin interessiert. „Viele wollten erstmal nur gucken und haben es dann doch probiert“, erzählt die Sozialdienstleiterin. „Das war so eine tolle Erfahrung, auch für uns.“ Das regenbogenfarbene Trampolin zieht die betagten Menschen sofort optisch in den Bann und weckt so ihre Neugier. „98 Prozent von ihnen kommen mit dem Rollator und eine Bewohnerin sitzt wegen einer halbseitigen Lähmung nach einem Schlaganfall im Rollstuhl“, sagt Silke Weiss. Sie hat rutschfeste bunte Socken verteilt, in denen alle Trampolinanhänger nun jeden Donnerstag ihr Sportgerät besteigen. Natürlich immer liebevoll unterstützt und fachlich beobachtet von ihr, Sarah Berchtold und weiteren Mitarbeitenden.
Die Sicherheit der Seniorinnen und Senioren steht natürlich an erster Stelle. Einschränkungen für ihr leicht schwingendes Vergnügen sind indes aber nur eine noch nicht lange zurückliegende Operation oder ein Herzinfarkt sowie eine Bewegungseinschränkung in der Hüfte, die das Besteigen des ansonsten ausgesprochen gelenkfreundlichen Trampolins unmöglich macht. „Demenz ist gar kein Hindernis“, so Sarah Berchtold. Für einen an Demenz erkrankten Bewohner sei das Trampolin „jedes Mal eine tolle neue Erfahrung.“ Die Menschen würden sich intuitiv auf dem Trampolin bewegen, sein flexibler Untergrund würde von manchen auch wie eine Massage empfunden. „Das Gleichgewichtsorgan, eigentlich alles, wird aktiviert, das schüttet unfassbar viele Glückshormone aus“, weiß Berchtold. „Die Menschen schauen auf dem Trampolin nach vorne und richten sich wieder aus ihrer gekrümmten Haltung am Rollator auf, auch ihre Körperwahrnehmung wird wieder gesteigert“, sagt Silke Weiss. Sogar der Verdauungstrakt werde aktiviert. „Egal, ob eine oder zehn Minuten: Auf dem Trampolin bringen die Menschen ihre Zellen, auch die des Gehirns, ins Tanzen, Erinnerungen und Emotionen werden wieder wach.“ Besonders tief berührt hat die Trainerin die stark an Demenz erkrankte alte Dame in einer anderen AWO-Einrichtung, „die sonst nie mitsingt“, mit ihrem spontanen Gesang auf dem Trampolin zu dem im Hintergrund laufenden Weihnachtslied.
Sarah Berchtold und Silke nennen das Trampolinangebot ihr Herzensprojekt. Nicht zuletzt nach der Erfahrung von der positiven Wirkung der behutsamen Bewegung auch auf Menschen mit einer Demenzerkrankung überzeugt ist, untermalt Weiss die gute Stunde Bewegung auf den beiden Trampolinen auch mit Musik und anregenden Gesprächen. Zwischen ihr und der im Schnitt zwölfköpfigen Trampolingruppe hat sich längst ein angenehmes Vertrauensverhältnis entwickelt. Dass nicht nur die gerade die Trampoline Nutzenden ihren Spaß haben, sondern auch die in dieser Zeit zuschauende Gruppe beschwingt und kommunikativ im Kontakt ist, beschreibt Berchtold als „schöne Dynamik.“ Sie und Weiss sind so erstaunt wie erfreut über die Regelmäßigkeit, mit der die Bewohner seit immerhin anderthalb Jahren jeden Donnerstag zur Trampolinstunde kommen. „Da ist Mut, Neugier, auch so eine Leichtigkeit dabei“, sagt Silke Weiss. „Mutig“ nennt auch Dr. Hans Gnahn das so begeistert von den betagten und hochbetagten Menschen im Gertrud-Breyer-Haus angenommene, ansonsten aber noch nicht weit verbreitete Angebot.
„Solche innovativen, pragmatisch umsetzbaren Projekte brauchen wir“, betont der Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Landkreis Ebersberg. Der Neurologe weiß natürlich auch um die vielfach in Studien belegte äußerst positive Auswirkung von Bewegung auf das Gehirn bis in das hohe Alter. „Das Projekt Trampolin zeigt, wie durch eine ideale Kombination von körperlicher Bewegung und Musik die Lebensqualität gerade auch von Mitmenschen mit Demenz verbessert werden kann.“ Demenz sei „ein Schicksal, das uns alle treffen kann.“ Und Sozialdienstleiterin Sarah Berchtold würde das Schwingen auf dem Trampolin sogar „jedem Heim empfehlen, weil es die Bewohner begeistert, sie aktiviert und ihnen so viel Lebensfreude bringt.“
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